Gottfried von Einem
(Foto: Fayer)
GOTTFRIED VON EINEM (1918 – 1996)
Gottfried von Einem (24. Jänner 1918 – 12. Juli 1996) kann zu Recht als einer jener österreichischen Komponisten des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden, deren Werke sich im Konzertsaal und auf der Bühne als unverzichtbaren Bestandteil des Repertoires erweisen.
Einer österreichischen Diplomatenfamilie entstammend, wurde Einem in Bern geboren und verbrachte seine Schulzeit in Schleswig-Holstein, wo er auch eine erste musikalische Ausbildung erhielt. Danach wurde er in Berlin Schüler von Boris Blacher, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges lebte Gottfried von Einem abwechselnd in Salzburg und Wien – wo er einige Jahre an der heutigen Musikuniversität eine Kompositionsklasse leitete. Nach seiner vorzeitigen Emeritierung wurde ein weiteres Domizil im Waldviertel zum Ort seines kompositorischen Schaffens, dem er bis zu seinem Tode seine ganze Energie widmete.
Zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen wurden Gottfried von Einem zuteil, Ehrenämter und große künstlerische Erfolge säumten seinen Lebensweg.
Das umfassende Œuvre des Komponisten umfasst 6 Opern (deren erste, „Dantons Tod“, durch ihre Uraufführung bei den Salzburger Festspielen 1947 den Ruhm Gottfried von Einems begründete), eine Reihe von Balletten (das Erstlingswerk „Prinzessin Turandot“ stammt noch aus der Berliner Zeit und wurde 1944 uraufgeführt), eine Fülle von Chor- und Orchesterwerken, Solokonzerten, Kammermusik und ungezählte Lieder, meist in Zyklen zusammengefasst.
Der Orgel galt das Interesse Gottfried von Einems in geringerem Maße; seine wenigen Kompositionen für dieses Instrument zeichnen sich jedoch durch Originalität, elementares Musikantentum und Reichtum an vielfältigen Klangeffekten aus. 1962 entstand die „Geistliche Sonate für Sopran, Trompete und Orgel“, op. 38. 1981 schrieb Einem das „Konzert für Orgel und Orchester“, op. 62 und im selben Jahr die Orgelsonate op. 64.
Gottfried von Einem, Portraitbüste von Horst Aschermann, 1967
Eigentum der Artothek des Bundes
(Foto: Clemens Kneringer)
Als so genannter „konservativer“ Komponist wurde Gottfried von Einem oft kritisch betrachtet. Es wurde allerdings übersehen, wie zeitlos einerseits der musikalische, musikantische Impetus ist, der sein Werk kennzeichnet, und andererseits, wie sehr seine musikalische Sprache künstlerischer Ausdruck des 20. Jahrhunderts ist. Damit blieb Gottfried von Einem fern jeglichen Epigonentums, obwohl die stilistischen Wurzeln seines Kompositionsstils unverkennbar in der abendländischen Tradition verankert sind.
„Einem versteht das Wort Komponieren (er schreibt es seit jeher in der absoluten Form mit C am Anfang) im Sinne des lateinischen Stammworts componere, und das heißt zusammensetzen. Deshalb war für ihn der sogenannte Strenge Satz, die Kunst des Zusammensetzens, von Anfang an von grundlegender Bedeutung. Zusammen-gesetztes soll sich nicht allein genügen. Es ist also auch nicht nur auf den Zusammenhalt seiner selbst hin konzipiert, auf seine inhaltliche und formale Stringenz, sondern, wie jede Musik, die etwas auf sicht hält, auf die Kontakt- und Kommunikations-fähigkeit hin, auf das Vermögen, sich anderen mit-zuteilen, ja sogar auf die Teilhabe der Hörer.“ (Friedrich von Saathen).
Die trotz aller Einfachheit ungemein differenzierte Sprache Gottfried von Einems, ihre geistreiche, manchmal hintersinnige, von Witz durchzogene Brillanz, ihre vielgestaltige, oft mit tänzerischen Elementen durchwebte Rhythmik prägt auch die Orgelsonate op. 64. Der Komponist schrieb über dieses Werk:
„Drei Sätze beschäftigen Manuale und Pedal in lyrisch-spielerischer, tonaler Art, damit sich Hörer und Solist divertieren. Technisches zu erraten, mag ein daran Interessierter versuchen. Viel Spaß!“
Diese kurze biographische Würdigung Gottfried von Einems, der im Jahre 2008 seinen 90. Geburtstag gefeiert hätte, möge eine Tagebuchnotiz des Achtzehnjährigen vom 7. Jänner 1936 beschließen: „Ich muß ein großer Mann werden, weil Gott mir so schöne Dinge einflüstert.“
Helga Michelitsch