Anton Heiller
(Foto: Madensky)
ANTON HEILLER (1923 – 1979)
Am 15. September 1923 wurde Anton Heiller in Wien geboren. Sein kompositorisches Schaffen, dessen Schwerpunkt in der Sakralmusik liegt, seine Interpretations- und Improvisationskunst als Organist, als Pianist, Cembalist und als Dirigent und sein pädagogisches Wirken sind sowohl aus dem internationalen wie auch aus dem österreichischen Musikleben, das er nachhaltig prägte, nicht weg zu denken. Zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen würdigten die universelle Künstlerpersönlichkeit Anton Heiller.
Dem genialen jungen Musiker war schon seit Kindheit die Kirchenmusik vertraut, und der damals elfjährige Sohn des Regens chori verbrachte jede freie Minute in der Pfarrkirche Dornbach an der neuen Orgel. Anton Heiller durchmaß in unglaublich kurzer Zeit seine Studien, die er im Alter von 19 Jahren in den Fächern Orgel und Cembalo an der damaligen Reichshochschule für Musik in Wien mit Diplom abschloss.
Heillers Konzerttätigkeit als Organist und Dirigent hatte sich notgedrungen in den letzten Kriegsjahren reduziert, jedoch Orgel- und Klavierwerke, Lieder und die Messe in mixolydisch G (1944) aus dieser Zeit wurden zu ersten Meilensteinen in Heillers Œuvre.
Anton Heiller an seiner „ersten Liebe“
(Foto: Nerio)
In einer beeindruckenden Karriere als Dirigent widmete sich Anton Heiller nach Kriegsende neben Orchesterwerken vor allem Chorwerken und Oratorien, allen voran Franz Schmidts „Buch mit sieben Siegeln“. Ehrenvolle Angebote, die Dirigentenlaufbahn weiter auszubauen, lehnte Heiller jedoch ab, da er das Orgelspiel vernachlässigen hätte müssen und „der Orgel meine erste Liebe gilt“ (A.H. 1972).
Mit einer kaum überschaubaren Zahl von Orgelkonzerten in der ganzen Welt wurde Anton Heiller zum Botschafter österreichischer Orgelkunst, der er ebenso als Komponist wie als Interpret und Improvisator diente.
Titel und Texte der Vokalkompositionen von Anton Heiller sind zum überwiegen-den Teil sakralen Ursprungs, seien es Messen, Motetten, Hymnen, Vespern, Kantaten oder Sologesänge bzw. Lieder. Daneben zeugen Chorwerke als Volksliedvertonungen oder über humoristische Texte und die Ballade „François Villon“ für Soli, Chor und Orchester (1956) von der Ausdrucksvielfalt des Komponisten.
Der Orgel, seiner „ersten Liebe“, ist der weitaus größte Anteil an Instrumental-kompositionen Anton Heillers gewidmet, neben Werken für Orchester, Kammerensemble oder Soloinstrumente wie etwa Klavier und Cembalo. Peter Planyavsky einer der prominentesten, wenn nicht der prominenteste Schüler Anton Heillers, hat es unternommen, mittels der stilistischen Entwicklung das Gesamtwerk seines Lehrers in drei Schaffensperioden zu gliedern („Zum Orgel-schaffen Anton Heillers“.Vorwort zur Ausgabe der Partita „Erhalt uns Herr, bei Deinem Wort“, gewidmet P. Planyavsky. – Wien, Doblinger 1977):
Für den Zeitraum bis etwa 1949 charakterisiert er den Stil als „vorherrschend linear, von kanonischen und imitatorischen Bildungen durchsetzt, in den freien Werken von hoher formaler Konsequenz und Symmetrie der Anlage. … Tonalität noch durchaus an Zentren orientiert, … leittonfreie, modaleske Bildungen be-vorzugt. …“ .Planyavsky nennt neben Franz Schmidt, Johann Nepomuk David und Paul Hindemith als „Väter“ des frühen Kompositionsstils von Anton Heiller. Partiten, vor allem Choralpartiten, die beiden Sonaten und Präludium und Fuge A-Dur entstammen dieser Epoche.
Die zweite Stilperiode im Gesamtwerk Heillers, in der er sich vermehrt der Vokal-komposition widmete, bezeichnet Planyavsky als eine Weiter-entwicklung der „polyphonen Grundhaltung“ zu größerer Klarheit und Reife. „Denn durch das immer noch mehr Vokale in seinen Themen wird unmerklich auch instrumental Gedachtes singbar, und Dissonanzen entstehen nicht mehr durch das Aneinanderprallen zweier Stimmen, sondern viel-mehr durch ein Sich-reibend-Aneinanderdrücken. …“
Darüber hinaus gehe der unverkennbar starke Einfluss französischer Stilmittel in Harmonik, Rhythmik und Melodiebildung in Heillers Kompositionen in erster Linie auf Frank Martin zurück. – Im Orgelwerk seien die vier Stücke „In Festo Corporis Christi“, die sogenannten „Fronleichnamsstücke“ (1957) Ausdruck dieser neuen stilistischen Haltung Heillers. Sie „sind so etwas wie aufgeschriebenes liturgisches Orgelspiel, wie es am Fronleichnamstag anhand der Gregorianischen Propriumsgesänge der Messe erforderlich ist. …“ Im Postludium „ist am Anfang die neue Harmonik in ihrer ganzen Leuchtkraft zu besichtigen; etwas später treten auch die kleingliedrigen, sozusagen nur mehr dem Tonfall unterworfenen Polyrhythmen auf, die später in der Salve-Regina-Fantasie den ganzen Anfangsteil beherrschen“.
Das bedeutendste Vokalwerk des zweiten Abschnitts der kompositorischen Entwicklung Anton Heillers ist die 1960 entstandene „Missa super modos duodecimales“, ein eindrucksvolles Dokument seiner Hinwendung zur Dodekaphonie. (Es war das letzte Werk, das Anton Heiller kurz vor seinem Tode im ORF dirigierte.) Zwölftonelemente oder –melodien finden sich in Werken Heillers aus dieser Zeit entweder frei oder in tonalen Funktionen harmonisiert.
Auf Orgelwerke über gregorianische Themen folgen im Spätstil Anton Heillers zahlreiche Bearbeitungen von Cantus firmi im Sinne von Kirchenliedern. Diese dritte Phase von Heillers Orgelschaffen prägt ein „Innerlicher-Werden des Stils … eine Verdunkelung des Ausdrucks, ein großes Trauriger- und dabei Ruhiger-Werden“. Das einzige freie Orgelstück dieser Spätzeit ist „Jubilatio“ (1976).
Seit 1945, bis zu seinem frühen Tod am 25. März 1979, unterrichtete Anton Heiller an der Universität (damals Akademie, dann Hochschule) für Musik und darstellende Kunst Wien: Orgel (zunächst auch Cembalo) und Kirchliche Komposition. Von mehr als 120 Schülern schlossen 40 ihr Studium bei Anton Heiller ab.
Für eine der herausragenden Musikerpersönlichkeiten Wiens, für Anton Heiller, bedeutete Kirchenmusik Leben und Erfüllung – Abschluss eines Großteils seiner Werke waren die Buchstaben S.D.G. (Soli Deo Gloria).
Im Jahr 2008 hätte Anton Heiller seinen 85. Geburtstag gefeiert.
Helga Michelitsch