Albert Paris Gütersloh, Maria Hofer, 1933 (Privatbesitz)
MARIA HOFER (1894 – 1977)
„Wenn die mittendrin im Improvisieren war, die Augen haben gebrannt.“
Maria Hofer (1894 – 1977) führte ihr Lebensweg von der Geburtsstadt Amstetten in Niederösterreich zunächst nach Wien. Maria Hofers auffallendes musikalisches Talent wurde zunächst von der Mutter, einer ausgebildeten Sängerin, gefördert, erhielt bereits als achtjähriges Kind Orgelunterricht und durfte schon wenige Jahre später als Organistin ab und zu Kirchendienst versehen. Man kann nicht umhin, an die Biographie der Jugendjahre Franz Schmidts zu denken.
Prägend wurden für Maria Hofers musikalischen Werdegang die folgenden Jahre an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien, wo sie ihre Ausbildung als Komponistin, Pianistin und Organistin sowie als Musikerzieherin erhielt. Einer ihrer Lehrer war Franz Schmidt, neben Hermann Grädener, Ernst Ludwig und Richard Stöhr. Der Domorganist von St. Stephan Victor Boschetti führte die spätere Meisterin dieser Disziplin in die Kunst der Improvisation ein. In diesen Jahren, während des Ersten Weltkrieges, begann Maria Hofer, neben ihrer Karriere als Pianistin, zu komponieren.
Die Universal-Edition war zu dieser Zeit unter ihrem Direktor Emil Hertzka zum bedeutendsten Verlag moderner zeitgenössischer, vor allem österreichischer Musik geworden. Maria Hofer wurde als Lektorin für Orgelmusik engagiert. Diese, nach eigenen Worten für ihre musikalische Entwicklung bedeutende Tätigkeit bescherte ihr Kontakte mit der Elite der Kunstwelt ihrer Zeit: Maurice Ravel, Alexander Zemlinsky, Darius Milhaud, Béla Bartók, Zoltán Kodály, Alfredo Casella, Franz Werfel und Stefan Zweig.
Einige Werke Maria Hofers, darunter die „Toccata für Orgel“ (1937), erschienen bei der Universal-Edition. Die Komponistin widmete die Toccata ihrer langjährigen Freundin, Yella Hertzka, der Frau von Emil Hertzka, des Gründers der Universal-Edition. Maria Hofer wohnte 12 Jahre, von 1926 bis 1938, im Hause der Hertzkas. Yella Hertzka, eine aktive Frauenrechtlerin, war Präsidentin der „Liga für Frieden und Freiheit“, deren Mitglied Maria Hofer beitrat, nachdem sie bereits 1925 eine Friedenshymne für diese Liga komponiert hatte.
Das Ehepaar Hertzka veranstaltete in seinem Haus regelmäßig Feste für die internationale und Wiener Musikszene, Maria Hofer, Freundin des Hauses, brillierte als Pianistin und Organistin, letzteres auf der Hausorgel der Gastgeber.
Aus dem reichen Schaffen dieser Jahre erregte die Passacaglia solches Aufsehen, dass ein Rezensent schrieb: „Wenn Maria Hofer nur diese Passacaglia geschrieben hätte, ihr Name dürfte in der Orgelliteratur nie mehr vergessen werden.“ (Die Passacaglia ist, wie zahlreiche andere Werke Maria Hofers, verschollen.)
Nachdem Maria Hofer, wahrscheinlich gemeinsam mit der seit 1932 verwitweten Yella Hertzka, 1938 Wien verlassen und sich ein Jahr in England aufgehalten hatte, kehrte sie 1939 – nicht ganz freiwillig – nach Österreich zurück, und zwar nach Kitzbühel, das sie bereits 1936 als ihre Wahlheimat entdeckt hatte. Wegen „Beleidigung des Führers, Verdachts des Abhörens verbotener Auslandssender und Lebensmittelhamsterei“ wurden Maria Hofer und ihre Kitzbüheler Freundin, die Antiquitätenhändlerin Elsa Welwert, im Juli 1941 verhaftet und am 10. August in die Haftanstalt Innsbruck überstellt. Nach acht Monaten Gefängnis kehrten die beiden Frauen nach Kitzbühel zurück. Manuskripte von Kompositionen Maria Hofers, wertvolle Briefe von Stefan Zweig, Franz Werfel, Arnold Schönberg und Alma Mahler waren „verschwunden“.
Bald nach ihrer Enthaftung setzte Maria Hofer ihre Konzerttätigkeit fort, vorwiegend mit eigenen Kompositionen. In der Rezension eines Konzertes in Salzburg versuchte man, die Musik Maria Hofers im Sinne nationalsozialistischen Gedankengutes zu interpretieren und betonte „das Bestreben der Kompoinistin, … auf dem Gebiete der Orgelmusik gänzlich neue Wege zu gehen, die Orgel gleichsam aus dem Verband der Kirche herauszulösen, …“.
Nach Kriegsende erlebte Maria Hofers Werk die verdiente Wertschätzung: Auftragskompositionen, Konzerte, Radioübertragungen und Veröffentlichungen ihrer Werke trugen zur Verbreitung ihres Werkes bei.
Durch die Persönlichkeit Maria Hofers entfaltete sich während der zwei Jahrzehnte nach 1945 in Kitzbühel ein reges Musikleben. Für das von der Komponistin angeregte Glockenspiel schrieb sie eine Reihe von Werken, mit denen sie sich in zahlreichen Konzerten, alternierend mit Orgelkonzerten, sowohl an das einheimische als auch an das ausländische Publikum wandte. Eine Vielzahl liturgischer Kompositionen und Jahrzehnte langer Kirchendienst an der Orgel runden das Bild dieser ungewöhnlichen Frau ab.
Völlig verarmt und enttäuscht, distanzierte sich Maria Hofer vor allem von ihrem Frühwerk und vernichtete knapp vor ihrem Tode eine große Anzahl ihrer Kompositionen.
Eine umfassende Würdigung des kompositorischen Schaffens von Maria Hofer ist wegen der bruchstückhaften Überlieferung schwierig. Die Toccata für Orgel ist eine der vollständig überlieferten Kompositionen für dieses Instrument, die Vervollständigung von Fragmenten, etwa einer Orgelfuge über das Thema des Andreas-Hofer-Liedes, ist beabsichtigt.